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Wilhelm Bläsig - Leben und Werk

Wilhelm Bläsig


Dr. Wilhelm Bläsig war Sonderschulrektor in Hannover. Geboren wurde er 1916 in Fallersleben bei Wolfsburg. Er studierte noch vor dem Krieg das Volksschullehramt, wurde Soldat und geriet schließlich bis 1947 in englische Kriegsgefangenschaft. Im Alter von 30 Jahren zwang ihn die Erkrankung an spinaler Kinderlähmung in den Rollstuhl. Monatelang lag er im Krankenhaus des Annastifts Hannover in einem Saal mit vielen anderen orthopädisch Kranken; darunter waren auch viele Kinder in schulpflichtigem Alter. Er entwickelte in dieser Situation entgegen der damals landläufigen Meinung die Überzeugung, dass erkrankte Kinder sehr wohl lernen können und wollen und dass Unterricht ihnen sogar helfen kann, ihre Situation besser zu meistern.

Das waren in der Nachkriegszeit revolutionäre Ideen, und nur ein Betroffener konnte sie denken. Wilhelm Bläsig war Betroffener, und er unterrichtete die kranken und körperbehinderten Kinder in den Krankensälen des Annastifts - umsonst, versteht sich, aber erfolgreich. Seine visionären Gedanken bestätigten und erfüllten sich. Er brachte sie zu Papier und ging prospektiv und energisch damit auf die Schulbehörden und Kostenträger zu.

Bläsig kann mit Recht als Vater der Krankenhauspädagogik gelten. Er lebte seine Ideen und schrieb und veröffentlichte sie in mehr als dreihundert Schriften und Artikeln sowie in zwölf Büchern. Er vertrat seine Erkenntnisse und Erfahrungen auf internationalen Kongressen und erlangte Bekanntheit und Anerkennung weltweit. Professoren aus Japan konsultierten ihn in Hannover, wo er bis 1978 Rektor der Werner-Dicke-Schule für Körperbehinderte war. Von Hannover ausgehend entwickelte sich die Kranken- und Körperbehindertenpädagogik bundesweit und darüber hinaus in Einrichtungen weiterer und Spezialschulen. Nach seiner Pensionierung 1978 promovierte Bläsig über die berufliche Rehabilitation Körperbehinderter und blieb bis zu seinem Tode 1995 aktiv in seiner Lebensaufgabe.

Mit seiner ganzen Biographie steht Wilhelm Bläsig für Ideale, die mit dem gesellschaftlichen Trend zur „Biologisierung“ auch der medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation zunehmend in den Hintergrund geraten. Auch Rehabilitanden sind keine Symptomträger, sondern Menschen mit Stärken und Schwächen - ganz wie alle Menschen. Ihre Schwächen und Einschränkungen sind jedoch vorübergehend oder auf Dauer so gravierend, dass eine zwanglose Teilhabe an gesellschaftlichen Vollzügen nicht mehr gelingt. Diese humanistisch ganzheitliche Sichtweise auf den Menschen war Wilhelm Bläsig selbstverständlich. Für die Wilhelm-Bläsig-Schule ist sie grundlegender Gedanke des Leitbildes.

Wilhelm Bläsig sah seine Betroffenheit als von Gott gewollten Auftrag und seine Erkrankung als Wegweisung zum Wohle der Beschulung kranker und körperbehinderter Kinder. Er hat seine Behinderung angenommen und sich seine Lebensaufgabe daraus abgeleitet. In seiner Autobiographie, der letzten seiner Buchveröffentlichungen, hat er das als Titel so ausgedrückt: In der Behinderung lebendig.

Wilhelm Bläsig kümmerte sich in seiner Arbeit in besonderer Weise um schädel-hirn-verletzte Kinder und Jugendliche. Natürlich kannte er das Hegau-Jugendwerk Gailingen gut, auch aus eigener Anschauung. Er schätzte unsere Arbeit sehr und forderte in seinen Schriften der 70er-Jahre ein „zweites Gailingen“ für den Nordwesten Deutschlands. Wilhelm Bläsig erinnert uns als Mensch wie als Pädagoge an Ziele, die weit über das Tagesgeschäft in einem Rehabilitationszentrum hinausgehen.

 
 
 

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